Smilestones – Spiegel der Schweiz
- Hans J. Betz
- 16. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Die größte Indoor Miniaturwelt der Schweiz befindet sich in Neuhausem am Rheinfall. Die riesige Anlage ist ein Spiegel der Schweiz, architektonisch, bahntechnisch, geografisch und kulturell. Unser Schweiz Korrespondent, Journalist Franz Stadelmann und seine Partnerin Ellen Spinnler haben sich vor Ort umgesehen und in den verschiedenen Themenwelten zahlreiche Fotos geschossen. Ein Thema ist die Landsgemeinde, ein Inbegriff der direkten Demokratie die im Kanton Appenzell Innerrhoden seit 1403 alljährlich am letzten Sonntag im April unter freiem Himmel statt findet. An diesem Tag werden die sieben Mitglieder der Kantonsregierung und die Kantonsrichter gewählt. Auch wird über Sachgeschäfte und Kredite abgestimmt. Stimmberechtigt sind alle im Kanton wohnhaften Frauen und Männer. Die Stimmabgabe erfolgt seit 1991 mit einer Stimmkarte. Männer hingegen deren Vorfahren seit Jahrhunderten im Kanton Appenzell Innerrhoden ansässig sind, dokumentieren ihre Stimmberechtigung noch immer traditionell mit einem Seitengewehr, einem Degen der von Generation zu Generation weiter gegeben wird. Nachdem das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene 1990 zum wiederholten Male abgelehnt wurde, gelangten zahlreiche Frauen mit einer Beschwerde an das Bundesgericht. Der Entscheid des höchsten Schweizer Gerichts war für das “Mannenvolk“ eine herbe Enttäuschung. Deshalb dürfen Frauen seit 1991 auch im Ring stehen. Die Landsgemeinde ist ein lebendiger und farbenfroher Anlass, was auch im Miniaturformat gut zur Geltung kommt.
Franz Stadelmann und Ellen Spinnler waren vom Gesehenen so begeistert, was nicht allein aus dem uns übermittelten Bildmaterial ersichtlich ist, sondern auch dem nachstehenden Bericht entnommen werden kann.
Diese Serie wird fortgesetzt. Freuen Sie sich jetzt schon auf die Reportage über den höchsten Wasserfall Europas, den Rheinfall bei Neuhausen.

Die Eisenbahn als Anlage rückt schnell in den Hintergrund, obwohl sie zu Beginn der Eyecatcher ist. Was längerfristig fasziniert, sind die kleinen Szenen. Auf jedem Quadratmeter findet man witzige Arrangements, die zum Schmunzeln anregen. In der Anlage zwei, drei Stunden zu verbringen, ist auch für Familien mit Kindern faszinierend. Die Anlage ist auch interaktiv. Mit ganz vielen Knöpfen kann man Aktivitäten starten, zum Beispiel eine Seilbahn zum Starten bringen oder den Kaminfeger zum Arbeiten bewegen. Smilestonse ist eigentlich ein Geschichtsbuch, ein Kulturspiegel der Schweiz. Die Szenen beleuchten die Region um Schaffhausen, Appenzell und das Berner Oberland. Szenen aus dem täglichen Leben von der Landsgemeinde bis zu Verkehrsunfällen, von Festen bis zu einer Hochzeit. Die Besucher tauchen ein in eine eher bäuerliche Welt der 70er und 80er Jahre. Und viele Szenen, auch Badeunfälle, Kirchen, Hochzeit, Strassenbau, Reiter, Strassenverkäufer, ganz viele Details, bis hin zu Helikoptermodellfliegen. Es sind nicht einfach Szenen, es sind Geschichten, die erzählt werden. Da ist diese Hochzeit in der vollbesetzten Kirche und die geschmückte Hochzeitskutsche davor. Doch der Bräutigam rennt vom Altar, Priester und seiner Angebeteten davon. Oder der Maler, der in der Einsamkeit eines Waldes eine nackte Frau malt. Und von einem Spanner beobachtet wird. Smilestones zeigt 700 Fahrzeuge, Transportmittel aller Arten: natürlich Eisenbahnen, Autos und Lastwagen. Aber auch Helikopter, Flugzeuge, Heissluftballons, ein Velorennen, Seifenkistenrennen, Pferdefuhrwerke. Fahrradfahren bis zur steilen Weinbergbahn. Auch ein grüner Migros-Lastwagen mit oranger Schrift. Dann auch Tiere: Schafe, Ziegen, Kühe, Hühner. Aber auch einen Elefanten im Porzellanladen. Natürlich sind die bewegenden Elemente attraktiv, die Eisenbahnen, die Fahrzeuge, die Seilbahn. Die Besucher jedoch lassen sich eher beeindrucken von der Detailarbeit der Szenen, die oft mit viel Witz hinterlegt sind. Leute, die ihre Nacktärsche zum Zug hinstrecken und es witzig finden.
Fotos: Ellen Spinnler und Franz Stadelmann
Etwa alle zehn paar Minuten wechselt die Anlage in den Nachtmodus. Tausend Lichter brennen wie in einer schlafenden Stadt. Magisch, dieser Wechsel von Tag und Nacht mit ihrer ruhigen, fast mystischen Atmosphäre. Die Eisenbahnwaggons gleiten mit Innenbeleuchtung durch die Dunkelheit. Dann wieder Tag und das pulsierende Leben erwacht. Marktstände locken Kunden an, das Dampfschiff wartet am Quai. In der Kiesgrube wird gearbeitet. Nur die Padres sitzen kontemplativ in ihrem Klostergarten, abgeschirmt von der Aussenwelt, ein heiliges Paradies inmitten einer brodelnden Stadt. Immer wieder Ansagen im Gong der SBB. Der Ton weckt eine unmittelbare Bahnhofsatmosphäre. Kreativ werden Traditionen und Moderne gemischt wie im realen Leben. Alte Häuser, Riegelbauten neben unpersönlichen Hochhäusern der 60er Jahre wie in Neuhausen. Eine nackte Frau am Baden mitten auf den Steininseln des Rheinfalls. Die Polizei versucht sie wegzubringen. Sympathische Einlagen von augenzwinkerndem Witz und Humor des täglichen Lebens. Mit viel sympathischem Humor und empathischer Blick sind Kleinstszenen gezeigt, die sehr stark Schweizer Realität spiegeln, insbesondere die Schaffhauser Region und das Berner Oberland. Detailgetreu. Die Eisenbahn spielt natürlich eine grosse Rolle, aber ebensosehr sind die Landschaften, die fahrenden Lastwagen, die Hausarchitektur, die beeindrucken. Ebenso im Berner Oberland die Berglandschaft mit sogar dem Matterhorn im Fernblick. Und einer Schneelawine. Eigentlich gehört Stonetowns in das Standardprogramm aller Schulklassenausflüge. Hier kann visueller und lebendiger Unterricht gemacht werden, fachübergreifend.
Smilestones zeigt nicht nur Schweizer Kulturgut. Smilestones ist Schweizer Kulturgut.
Text: Franz Stadelmann